Am 14. Oktober 2023 ist den Klimaklägern, die mit ihren Verfassungsbeschwerden vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich waren, von der Humanistischen Union der Fritz-Bauer-Preis verliehen worden. Fritz Bauer war langjähriger Generalstaatsanwalt von Hessen und sozial engagierter Jurist. Und er war Mitbegründer der Humanistischen Union, die in Erinnerung an Fritz Bauer und als Ehrung für sein Wirken den Fritz-Bauer-Preis gestiftet hat.
Der Preis wird an Menschen verliehen, die „unbequem und unerschrocken der Gerechtigkeit und Menschlichkeit Geltung verschaffen“.
Ich bin einer der Preisträger. Zur Verleihung habe ich diese kleine Rede gehalten:
Die Klimakläger vor dem Bundesverfassungsgericht (2018 – 2021) erhalten den Fritz-Bauer-Preis 2023.
Ich freue mich sehr über die Auszeichnung mit dem Fritz-Bauer-Preis. Die Humanistische Union honoriert damit Menschen, die „unbequem und unerschrocken der Gerechtigkeit und Menschlichkeit Geltung verschaffen“.
Ich war einer der Erstkläger mit Klimaklage vor dem Bundesverfassungsgericht. Der einzige Erstkläger mit unter anderem sozial-ökologischen Aspekten in der Verfassungsbeschwerdebegründung. Gerade zu den sozial-ökologischen Aspekten haben die Verfassungsrichter*innen sich inhaltlich nicht geäußert. Das finde ich bedauerlich. In der Wissenschaft ist diese Komponente der Klimakatastrophe längst anerkannt.
Ich kann die Richter*innen dennoch ein bisschen verstehen. Eine verfassungsgerichtliche Behandlung der sozialen Frage der Klimakatastrophe hätte dieses Land auf den Kopf gestellt.
Es braucht wohl noch mehr Unerschrockenheit für diesen nötigen Schritt.
„Unbequem und unerschrocken“ – ich hätte nicht gedacht, dass ich dafür einmal einen Preis bekomme. Wenn ich mich für Gerechtigkeit, Grundrechte, Menschenrechte, Fairness und Ausgleich zwischen Menschen und zwischen Menschen und Mitwelt einsetze, erlebe ich sonst, dass ich gemieden werde.
Ich kann nicht anders als mich für Menschenrechte einsetzen.
Deshalb war die Nachricht über die Auszeichnung auch erschreckend. Weil sie etwas über den Zustand der Welt sagt.
Wir haben gewonnen! Wesentliche Teile des Klima(schutz)gesetzes sind verfassungswidrig.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 24. März 2021 die Grundrechte verletzende Unzulänglichkeit des deutschen Klimaschutzgesetzes festgestellt.
Das Bundesverfassungsgericht stellt in seiner Entscheidung die besondere Bedeutung des Art 20a GG heraus, demzufolge die natürlichen Lebensgrundlagen für die künftigen Generationen zu schützen sind. Daraus resultieren besondere Pflichten für Legislative und Exekutive. So müssen „bereits belastbare Hinweise auf die Möglichkeit gravierender oder irreversibler Beeinträchtigungen“ die Richtung heutiger politischer und gesetzgeberischer Arbeit bestimmen.
Der unzureichende Schutz des Klimas durch die Legislative und Exekutive in Deutschland ist nicht mit einem Hinweis auf den global gesehen nur kleinen Anteil von Emissionen in Deutschland entschuldbar. Das Verfassungsgericht verpflichtet den Staat zu internationalem Handeln.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung der Politik des Vertagens und nur Reagierens, wenn es eigentlich schon zu spät ist, einen Riegel vorgeschoben. Die Leitsätze zum Beschluss des Verfassungsgerichts stellen in aller Klarheit fest, dass es für den Schutz der Grundrechte in der Gesetzgebung nicht ausreicht, auf Entwicklungen und Erkenntnisse zu reagieren. Vielmehr geht es darum, „weitere Entwicklungen zum Schutz der Grundrechte regulatorisch überhaupt erst zu ermöglichen“. Das ist ein Punkt, auf den ich immer wieder hingewiesen habe. Eine Verlagerung von angemessenen Klimaschutzmaßnahmen in die Zukunft, insbesondere Emissionsreduzierungen, ist nicht zulässig, da das eine „umfassende Freiheitsgefährdung“ in zukünftigen Jahren darstellt. Besonders erfreulich ist, dass in der Entscheidung auch die soziale Komponente der Transformation hin zu einem klimaneutralen Leben erwähnt ist.
Das Verfassungsgericht hat auch festgestellt, dass die Rolle des Parlamentes nicht auf ein Abnicken von regierungsintern aufgestellten Verordnungen reduziert werden darf. Die Gesetzgebung zu so wichtigen Themen wie der Klimaerhitzung muss vielmehr dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren folgen, das heißt mit voller Beteiligung des Parlamentes.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bedeutet, dass Klimaschutz zukünftig auf der Basis von wissenschaftlicher Erkenntnis und Grund- bzw. Menschenrechten zu erfolgen hat.
Konkret müssen Legislative und Exekutive bis zum 31. Dezember 2022 einen realistischen Emissionsreduzierungspfad bis zur Neutralität vorlegen.
Auch wenn die Einzelbeschwerden in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Freiheitsrechte hinaus nicht in größerer Tiefe behandelt werden, sehe ich meine Argumentation in den Leitsätzen zur Entscheidung dennoch bestätigt. Ein „Weiter so“ ist ab heute nicht mehr möglich. Die Grundrechte haben ihre Verbindlichkeit wiedererlangt.
Kommentar zum Stand der Klimakrise und meiner „Klimaklage“ vor dem Bundesverfassungsgericht.
Momentan ist die Corona-Krise das Thema Nummer 1. „SARS-CoV-2“ hat „CO2 und Co.“ in allen Medien und damit in der öffentlichen Wahrnehmung abgelöst. Irgendwie zurecht. Und doch auch erstaunlich. Gerade was den politischen Umgang damit angeht, besser gesagt, den politischen Umgang mit dem anderen Thema.
Da haben sie sich tatsächlich nackt ausgezogen. Vor SARS-CoV-2 haben die mit Entscheidungsverantwortung und -auftrag ausgestatteten Politiker ihre Mantren der angeblichen Unleistbarkeiten aufgegeben. Das ist gut so. Plötzlich ist machbar und wird sogar in bislang undenkbar kurzen Zeitfenstern getan was vorher als unmöglich bezeichnet wurde. Weil eine konkrete Bedrohung an die Türen geklopft hat. Auch an die Türen der Parlamente und Ministerien. Die konkrete Gefahr heißt Tod. Schon immer Bestandteil der Existenz, doch seit wenigen Jahrzehnten zunehmend erfolgreicher verdrängt. Milliardeninvestitionen in Pharma, Technologie und Medizin haben das durchschnittliche Sterbealter immer weiter ansteigen lassen. Tod erscheint irgendwie doch verhandelbar. Zumindest ein bisschen. Zumindest für den kleinen Teil der Weltbevölkerung, die sich die Lebenserhaltungsmaschinerie leisten können. Sie hat sich zu einem Wirtschaftsfaktor entwickelt. Finanziert durch ebenso stetig steigende Versicherungsbeiträge, in die auch die Gewinne der wachsenden Zahl privatisierter Kliniken eingepreist sind.
An Infektionen mit SARS-CoV-2 werden global viele Zigtausend Menschen sterben. Das ist tragisch und ich habe großes Mitgefühl für alle, über alle territorialen Grenzen hinweg, die geliebte Menschen durch das Virus verloren haben und noch verlieren werden.
Ich habe auch großes Mitgefühl für alle, über alle Grenzen hinweg, die durch den verschleppten Klimaschutz der Regierungen weltweit Not leiden, Tote beklagen oder selbst in ihrer Existenz bedroht sind.
Es geht mir in keiner Weise um ein Gegeneinanderausspielen der tragischen Krisen. Es geht einzig um die massiven Unterschiede im Umgang mit Krisen – und um die Frage warum das so ist.
Ich heiße Andreas Sanders. Ich bin Diplom-Geologe. Schon zu meiner Studienzeit in den 80er Jahren waren der Klimawandel und eine heraufziehende Klimakrise ein Thema. Seitdem hat es keine wirksamen Maßnahmen gegen diese Entwicklung gegeben. Deshalb bin ich Klimakläger vor dem Bundesverfassungsgericht. Wir sind eine Gemeinschaft aus 11 Einzelklägern. Zusammen mit dem Solarförderverein und dem BUND haben wir vor annähernd einem Jahr (23. November 2018) eine Verfassungsbeschwerde gegen Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat eingereicht. Hintergrund ist die völlig unzureichende und in den winzigen Ansätzen untaugliche Klimapolitik.
Mit den Lebensgrundlagen der Menschen wird gezockt. Dabei werden Menschenrechte gerne ‚übersehen‘. Ein Zustand fast überall auf der Erde, auch hier in Deutschland.
Deshalb bin ich einer der Beschwerdeführer mit der „Klimaklage“ vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Gemeinschaft der Klimakläger hat nun eine wichtige Hürde gemeistert. Das Bundesverfassungsgericht hat unsere Beschwerde an Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung geleitet und mit Fristsetzung bis 15. November 2019 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Das ist ein großartiger Schritt auf dem Weg unserer Verfassungsbeschwerde, nachdem wir sie im November 2018 eingereicht haben.
Hier ist mein Video-Statement zu dieser Entwicklung.
Ich habe mich der Verfassungsbeschwerde gegen den unzureichenden Klimaschutz in Deutschland angeschlossen, weil meine Geduld überstrapaziert wurde und ich mit verhindern will, dass unsere essentiellen Lebensgrundlagen weiter zerstört werden. Von mangelndem Klimaschutz zu sprechen, ist für mein Empfinden nämlich noch eine Schmeichelei. Was wir im Moment von Seiten Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung erleben würde ich eher als aktiven Beitrag zur Vernichtung von natürlicher Lebensgrundlage bezeichnen.
Das sind ja keine dummen Leute, die da Politik machen. Umso schlimmer, denn dann muss ich davon ausgehen, dass Legislative und Exekutive bewusst gegen die Menschen und anderes Leben entscheiden und handeln.
Am 23. November 2018 ist dem Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde „gegen das Unterlassen geeigneter gesetzlicher Vorschriften und Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels durch die Bundesrepublik Deutschland“ zugestellt worden.
Ich bin einer der Beschwerdeführer.
Die Verfassungsbeschwerde ist von der Rechtsanwältin Franziska Heß und ihrem Team (BAUMANN Rechtsanwälte in Leipzig) mit großem Einsatz zusammengetragen und formuliert worden.
Dabei geht es um die Verletzung mehrerer Grundrechte, d.h. auch Menschenrechte, die durch das Grundgesetz garantiert sind.