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#ExxonKnew – Bundestag auch

Exxon und Shell wussten, dass sie der Menschheit schaden. Eine Studie belegt, Bundestag und Bundesregierung waren bereits 1983 informiert, dass eine Politik zugunsten fossiler Energieträger in eine Katastrophe führt. Entgegen klaren Warnungen haben sie dennoch auf Kohle, Öl und Gas gesetzt. Wie die Ölriesen hat die deutsche Politik die Menschen systematisch betrogen und Menschenrechte verletzt. Unverändert auch heute noch.

Exxon wusste es, hat bereits seit Ende der 1970er Jahre mit erstaunlicher Genauigkeit detaillierte Klimaprojektionen erstellt und sie geheim gehalten.1
Shell wusste es, hat 1988 die Ergebnisse eigener Studien über Zusammenhänge und Konsequenzen der Klimaerhitzung in einem Bericht dargestellt, 1991 sogar filmisch umgesetzt und alles geheim gehalten.2
Der Deutsche Bundestag wusste es auch. Spätestens seit 1983. Und damit wussten es seit dem auch die Regierungen in Deutschland.

Der Bundestag, Ausschuss für Forschung und Technologie, hatte eine „Studie über die Auswirkungen von Kohlendioxidemissionen auf das Klima“ in Auftrag gegebenen.3 Wissenschaftler vom Institut für Atmosphärische Chemie an der Kernforschungsanlage Jülich unter Mitwirkung von Wissenschaftlern der Forschungsstelle für Angewandte Klimatologie und Umweltstudien der Universität Münster haben sie durchgeführt. Der Abschlussbericht wurde im November 1983 in der Schriftenreihe „Berichte der Kernforschungsanlage Jülich“ mit der Nummer Jül – 1877 unter der ISSN-Nummer 0366 – 0885 herausgegeben und an die Auftraggeber ausgehändigt. Den Vorsitz im Ausschuss für Forschung und Technologie des 10. Bundestages hatten Die Grünen.

Die Zusammenfassung der Studie lautet:
Im Hinblick auf die potentielle Gefahr durch CO2 muß nachdrücklich unterstrichen werden, daß die fossilen Energieträger so sparsam und effektiv wie möglich genutzt werden müssen. Neben allen Möglichkeiten zur effektiveren Nutzung von Energie gilt es, resiliente, d.h. anpassungsfähige Energiesysteme zu entwickeln, die es erlauben, technische Neuerungen zum Ersatz von Kohle etc. möglichst rasch und ohne großen Kostenaufwand einzuführen. Es ist klar, daß eine einmal installierte Kapazität an ausschließlich fossil ausgerichteten Anlagen nur über Jahrzehnte wieder abgebaut werden kann. Es ist deshalb zu spät, erst nach dem eindeutigen Erkennen einer CO2-bedingten Klimagefahr Handlungsalternativen zu suchen und einzuleiten.
Den hier aufgezeigten ersten Überlegungen müssen neben detaillierten Kosten-Nutzen Analysen intensive Studien über die Auswirkungen des Gesamtsystems auf die Umwelt folgen.
“ 4
Tatsächlich ist in der Studienzusammenfassung jedes Wort wie hier zitiert unterstrichen.

Der erste Teil der Studie ist speziell an Politiker gerichtet leicht verständlich formuliert. Sehr viele der Kernaussagen der heutigen Klimawissenschaft sind qualitativ und z.T. auch in guter quantitativer Näherung bereits in der Studie von 1983 zu finden. Wirkmechanismen des Klimasystems sind beschrieben. Der menschengemachte CO2-Anstieg in der Atmosphäre, verursacht durch die Verbrennung fossiler Energieträger, ist benannt. Auch Rückkopplungseffekte sind bereits erklärt. Die genannte Bandbreite von Auswirkungen einer Klimaerhitzung liest sich wie die Vorwegnahme der heutigen Katastrophenmeldungen: Änderung von atmosphärischer und ozeanischer Zirkulation, „Verlagerung der Klimaregionen“, „Abschmelzen des polaren Eises“, stärkere Erwärmung der Arktis, „Anstieg des Meeresspiegels“, „extreme Wettersituationen“, Überschwemmungen, Auswirkungen auf die Nahrungsmittelversorgung, bis hin zu „globalen Verteilungskämpfen“.

Es wurden Prozesse vorhergesagt, die Klimawissenschaftler*innen heute tatsächlich beobachten und messen: die Destabilisierung des westantarktischen Eisschildes und die dramatische Abnahme des Meereises im Arktischen Ozean.

Der Studie von 1983 kommt eine herausragende Bedeutung zu. Sie beschreibt nicht nur die Zusammenhänge zwischen Klimaentwicklung und Nutzung fossiler Energieträger, sondern zeigt vielschichtig mögliche Handlungsalternativen und ihre jeweiligen Wirkungen: „Ersatz fossiler Primärenergieträger“ z.B. durch „regenerative Energiesysteme“, „Vermeidung oder Verminderung von CO2-Emissionen durch effizientere Energienutzung“. Sie benennt sogar schon die hohen Kosten von CO2-Entfernung aus der Atmosphäre sowie das Problem der Endlagerung. Vorausschauend wird dargelegt, dass die Nutzung von Pflanzen als Kohlenstoffspeicher wegen des Anbauflächenbedarfs „in Konkurrenz zur Ernährungssicherung“ steht. Das alles ist zu einem Zeitpunkt beschrieben, dass das Konglomerat der heutigen Krisen leicht hätte vermieden werden können.

Im Zusammenhang mit dem „zeitlichen Rahmen der drohenden Klimaveränderung“ heißt es in der Studie von 1983 wörtlich: „Soll eine drohende Klimakatastrophe mit Sicherheit verhindert werden, so müssen die notwendigen Schritte sofort und unverzüglich eingeleitet werden.5

Seit November 1983 ist diese Studie über das Forschungszentrum Jülich frei zugänglich. Seit demselben Zeitpunkt gehört sie zum Bestand der Präsenzbibliothek des Deutschen Bundestages und ist damit allen Parlaments- und Regierungsmitgliedern frei zugänglich.6 Über die Jahre durch zahlreiche weitere und präzisere Forschungsergebnisse ergänzt, die den Handlungsbedarf umso dringlicher gemacht haben.

Die Studie betrachtet auch die Entwicklung des Energieverbrauchs und stellt verschiedene Szenarien und Projektionen gegenüber.7 Darunter ein konsequentes Effizienzszenario von 1981, das vom Umweltbundesamt in Auftrag gegeben worden war.8 Es setzt darauf, dass energieeffizientere Technologien die alten weniger konkurrenzfähigen Technologien ersetzen. Auch im Energiesektor. Das Szenario betrachtet die Entwicklung auf der gesamten Erde bis 2030 und kommt zu dem Ergebnis, dass dann über 80 Prozent des Energiebedarfs „ohne allzu große Schwierigkeiten durch das relativ hohe Potential regenerativer Energiequellen gedeckt werden kann“9. Sicher ein ambitionierter Weg, aber damit wäre die Bedrohung durch die globale Klimaerhitzung abwendbar gewesen. Sogar beim Bevölkerungswachstum wie es damals prognostiziert war und dann stattgefunden hat sowie bei einer angenommenen Wirtschaftsentwicklung, die sogar den „Nachholbedarf“ der Entwicklungsländer berücksichtigt hat. Es war ein geradlinig wissenschaftlicher Ansatz. Das heißt, politische Einflussnahmen zum Schutz der fossilen Wirtschaft kamen darin nicht vor. Und keine Maßnahmen, die die besseren Angebote ausbremsen. Und er setzte voraus, dass Produzenten die Effizienzsteigerungen nicht durch ein ‚Größer-Schneller-Mehr‘ kompensieren, um die Profite zu vergrößern. Das ist jedoch alles passiert – Markteingriffe und sogar Überkompensation der Effizienzsteigerungen. Für letzteres ist die Automobilindustrie bekanntes Negativbeispiel.

Der Deutsche Bundestag und die damals amtierende sowie die nachfolgenden Bundesregierungen haben das in der Studie zusammengetragene Wissen und die darauf gestützten Empfehlungen missachtet. So geschehen unter Führung von Helmut Kohl (CDU) mit Beteiligung der FDP, Gerhard Schröder (SPD) mit Beteiligung der Grünen, Angela Merkel (CDU) mit Beteiligung von zuerst SPD, dann FDP und wieder SPD. Und aktuell unter Verantwortung von Olaf Scholz (SPD) mit Beteiligung der Grünen und der FDP.

Die politischen Entscheidungen haben stattdessen eine Wachstumsgeschichte der fossilen Energiewirtschaft geschrieben und forciert. Klimaschutz taucht daneben seit 1990 in Form schöner Absichtserklärungen zwar auf. Die sind aber regelmäßig ausgeblendet worden, wenn sie den Entwicklungspfad der fossilen Energiewirtschaft hätten beeinträchtigen können.10

Wo solche Politik hinführt, hat die Studie 1983 mit großer Deutlichkeit vorskizziert: „… Dazu kommt die Trägheit, d.h. Eigengesetzlichkeit, der industriellen Strukturentwicklung: Eine Entscheidung zugunsten fossiler Brennstoffe legt den CO2 Ausstoß für viele Jahrzehnte fest. Je stärker fossile Energieträger bereits genutzt werden, desto schwieriger und unwahrscheinlicher ist ein schneller Abbau dieser Kapazitäten, wenn eine drohende Klimakatastrophe einmal eindeutig nachgewiesen werden kann.“11
Genau das ist die heutige Situation. Weil die Warnungen missachtet wurden.

Als hätten die Autoren der Studie es 1983 schon vorausgesehen, beginnen sie den Abschnitt „Handlungsalternativen und strategische Maßnahmen“ mit den Worten: „Macht man sich die in den vorangegangenen Kapiteln aufgeführten Auswirkungen steigender CO2 Emissionen zu eigen, so ist man aufgefordert, für Abhilfe zu sorgen.“12

Immer noch entscheiden Legislative und Exekutive zugunsten fossiler Brennstoffe. Ein Verhalten, das kaum anders ist als z.B. Exxons und Shells systematischer Betrug an der Menschheit. In solchem Kontext wirken die mit dem Kohleausstieg vereinbarten Ausgleichszahlungen wie Belohnungen dafür, dass die Vernichtung der natürlichen Lebensgrundlagen in ferner Zukunft beendet wird. Zu einem Zeitpunkt, an dem das mit dem 1,5 Grad Limit des Abkommens von Paris verträgliche Emissionsbudget längst aufgebraucht sein wird.13 Warum werden die Schäden da nicht gegengerechnet? Immerhin war bekannt, erstaunlich konkret sogar mit Art und Maß, dass sie kommen würden.

Die Studie über die Auswirkungen von CO2 in der Atmosphäre wurde trotz ihrer Deutlichkeit weitgehend ignoriert. Steht nicht die Frage im Raum ob die Täuschung der Menschen über die Konsequenzen aus der Verbrennung von fossilen Energieträgern schon seit 1983 verfassungswidrig war? Der Zusammenhang war doch klar, dass eine Missachtung der Warnungen und Empfehlungen absehbar zu einer Gefährdung der natürlichen Lebensgrundlagen führt. Das stand auch schon vor der Aufnahme von Art. 20a ins Grundgesetz – Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Tiere – den dort garantierten Freiheitsrechten entgegen.14 Es kann auch nicht im Sinne der Verfassung sein, wenn erforderliche Gesetze nicht geschaffen werden und dadurch eine Art Schutzraum für diejenigen entsteht, deren zentrale Aufgabe es ist, dem Zeitgeschehen angemessene Gesetze zu schaffen und sie dann anzuwenden.

Die erste Klimaklage wurde dem Bundesverfassungsgericht 2018 vorgelegt (Der Autor dieses Artikels war einer der Erstkläger). Drei weitere Klagen folgten als sich abzeichnete, dass das Gericht die Klage annimmt. Im Beschluss des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom Frühjahr 2021 war der Schutz der Freiheitsrechte der zentrale Aspekt.15 Die Kläger*innen waren zwar nicht in allen Aspekten erfolgreich, aber bei den Freiheitsrechten ließ das Verfassungsgericht keinen Zweifel. In Verbindung mit den Grundrechten ist seitdem der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG) einklagbar.
Das begründet quasi ein Grundrecht auf ein ökologisches Existenzminimum. Wie sich das genau bemisst wird zukünftig sicher noch Teil juristischer Auseinandersetzungen sein. Klar ist aber, dass dem politischen und wirtschaftlichen Handeln hier Grenzen gesetzt sind.

Berücksichtigt man die „Studie über die Auswirkungen von Kohlendioxidemissionen auf das Klima“ besteht das legislative Vakuum in der Klima-, Energie- und Wirtschaftspolitik seit mindestens 1983. Auch die im August 2021 erfolgte Nachbesserung des Klimaschutzgesetzes, das jetzt einen vom Verfassungsgericht geforderten Emissionsminderungspfad über 2030 hinaus enthält, ist nach herrschender Sicht der Klimawissenschaftler*innen längst nicht ausreichend. Weder auf Basis von Budgetberechnungen, und schon gar nicht wenn man den Beschluss des BVerfG so auslegt, dass es darum gehen muss, die Treibhausgasemissionen so schnell und umfassend wie möglich zu reduzieren, damit die im Grundgesetz garantierten Freiheitsrechte zukünftig möglichst wenig eingeschränkt werden müssen.

Die im Klimabeschluss des BVerfG festgelegte Frist für die Nachbesserung des KSG ist am 31.Dezember 2022 abgelaufen.

Es fällt schwer, die politischen Richtungsentscheidungen mit Art. 38 Abs. 1 GG, wonach die Parlamentsmitglieder „nur ihrem Gewissen unterworfen“ sind, in Einklang zu bringen. Die politische Geschichte des deutschen Klimaschutzes ist auch eine Geschichte der Ausblendung wissenschaftlichen Kenntnisstandes.16 Ein Problem, das von Wissenschaftler*innen immer wieder beschrieben wird. Was ins Konzept passt wird angenommen, was nicht passt wird nicht berücksichtigt.17 Nur, so funktionieren die Naturgesetze nicht. So funktionieren die Wissenschaften nicht, die sich mit der Klimaerhitzung und ihren Folgen beschäftigen.

Exxon und Shell wussten sehr früh und sehr gut über den Zusammenhang zwischen Klimaerhitzung und CO2 Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger bescheid. Exxon beschrieb in der eigenen Forschungsdokumentation Ende der 1970er Jahre, dass der Ausstoß von Treibhausgasen in die Atmosphäre zu einer globalen Klimaerhitzung führt. In einem Exxon-internen Bericht von 1982, mit dem Titel „CO2 Greenhouse Effect“, sind zentrale Ergebnisse der Untersuchungen zusammengefasst.18 Die Daten und Analysen des Unternehmens haben aktuell Wissenschaftler*innen der Harvard University (USA) und des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK, Deutschland) ausgewertet. Im Wissenschaftsmagazin Science, Ausgabe vom 13. Januar 2023, sind die Ergebnisse veröffentlicht.19 Die meisten Exxon-Prognosen stimmen mit der tatsächlichen Klimaentwicklung überein.

Aber die Ölriesen haben gehandelt wie der nahezu ganze Rest der Wirtschaft auch.20 Alles Wissen wurde und wird kapitalistischen Profitmaximierungsinteressen untergeordnet. Mit allen Mitteln. Bis hin zu Lügenkampagnen und Menschenrechtsverletzungen, um das schädliche Geschäft mit und auf Basis von fossilen Energieträgern immer weiter auszubauen. Deshalb werden ihnen vorsätzliche systematische Täuschung der Öffentlichkeit und bewusste Klimavergehen vorgeworfen. Dafür stehen sie heute immer wieder vor Gericht.

Die im Auftrag des Deutschen Bundestages erstellte und 1983 an ihn übergebene „Studie über die Auswirkungen von Kohlendioxidemissionen auf das Klima“ kam inhaltlich zu den gleichen Ergebnissen wie die Untersuchungen der Ölkonzerne.

Dennoch, seit 1983 sind in Deutschland 68 Kohlekraftwerke (mit jeweils mehr als 100 MW Leistung) zur Strom- und Wärmeerzeugung neu gebaut, um zusätzliche Blöcke erweitert oder modernisiert worden. Alle Kraftwerke (mit jeweils mehr als 100 MW Leistung) zusammengerechnet, die seit 1983 neu gebaut, erweitert oder modernisiert wurden und in denen fossile Energieträger verbrannt wurden und werden, sind es insgesamt 144.21
Das Umweltbundesamt veröffentlicht Emissionsdaten ab 1990. Danach haben diese fossilen Kraftwerke alleine seit 1990 über 12 Gt CO2-Emissionen verursacht.22 Hinzu kommen andere Treibhausgas-, Schwermetall- und Feinstaubemissionen.

Die in der Studie von 1983 angesprochenen regenerativen Alternativen wurden immer wieder in ihrer Verbreitung und Anwendung behindert.
Photovoltaik kam in Deutschland im Laufe der 1980er Jahre langsam auf den Markt. Während die milliardenumsatzschweren Unternehmen der fossilen Energiebranche auch nach 1983 jährlich mit hohen Milliardensummen subventioniert wurden – unverändert auch heute noch – mussten die Entwickler*innen neuer Technologien mit wenig Förderung auskommen. Ein völlig unverständliches Missverhältnis, angesichts der in der Studie formulierten und an den Deutschen Bundestag gerichteten Warnungen.

Vor gut zehn Jahren, als die Klimakrise längst nicht mehr zu leugnen war und Photovoltaik zu boomen begonnen hatte, hat die Regierung Merkel den Ausbau gedeckelt. Zuletzt haben dann die Abstandsregeln für Windkraftanlagen den Ausbau in diesem Sektor der erneuerbaren Energieerzeugung gelähmt.
Und aktuell unter rot-grün-gelber Regierung gibt es eine Renaissance der fossilen Energieträger. Sie wird mit Krieg begründet. Das mag der aktuelle Auslöser sein. Die Ursachen aber liegen in jahrzehntelangen Klimavergehen der Politik hierzulande. Sogar die aktuellen Debatten um den Ausstieg aus den fossilen Energien und um den Ausbau der erneuerbaren Energien werden aus der Perspektive der Konzerne geführt, die wissend Lebensgrundlagen geschädigt haben.

Wenn in den Wirtschaftsbilanzen nicht nur der Ausgleich von Schäden wachstumsfördernd erscheinen würde, sondern die Schäden endlich auch als Minus auftauchen, dann würde deutlich, dass ein großer Teil des Wirtschaftens gar keinen Sinn hat, sondern vor allem Ressourcen vernichtet und Geld umverteilt. Die Kinder und Jugendlichen, die für mehr Klimaschutz demonstrieren, haben das längst verstanden.
Diejenigen, die heute mit Aktionen des zivilen Ungehorsams gegen die Vernichtung ihrer Zukunft demonstrieren, werden mit dem Vorwurf der Nötigung vor Gericht gestellt. Kernkriterium für eine Nötigung ist die „Verwerflichkeit“ einer Handlung. So klare Aussagen wie sie die Studie von 1983 enthält, bestätigt in zahlreichen späteren Studien, im politischen und wirtschaftlichen Handeln jahrzehntelang zu ignorieren, das kann man ganz sicher verwerflich nennen. Insbesondere weil die Konsequenzen bekannt waren, und insbesondere weil die Klimaerhitzung als menschengemacht belegt ist. Egal wie man zu den Protestformen steht, wenn die Demonstrierenden sagen, sie fühlen sich genötigt zu protestieren, dann hat das einige Berechtigung.

Jetzt sind wir im Jahr 2023. Im vierzigsten Jahr seit 1983. Das sind 40 Jahre mit schädlichen, fossile Energieträger bevorzugenden Entscheidungen durch Bundestag und Bundesregierungen, mit Beteiligung aller Parteifarben. Heute wie damals vermissen Wissenschaftler*innen immer noch die angemessene Achtung ihrer Forschungsergebnisse.

In den ganz aktuellen Debatten wiederholt sich, was Exxon, Shell und Co. in Bezug auf die fossilen Energieträger seit den 1970er Jahren gemacht haben. Wasserstoff und E-Fuels werden inzwischen als ‚Lösungen‘ für Mobilität und Energie- und Wärmeversorgung angepriesen. Wieder wird die öffentliche Debatte mit Falschdarstellungen gelenkt. Wieder werden ohne Gewissen und ohne Verantwortungsbewusstsein für Mensch und Natur Profitinteressen verfolgt. Wieder dieselben Denkmuster, die schon das heutige Krisenkonglomerat hervorgebracht haben. Das ist der Weg immer umfassender und schneller immer tiefer in die Katastrophe.
Wissenschaftler*innen der Scientists for Future sind sich einig, dass Wasserstoff und E-Fuels zwar für ganz spezielle Nischenanwendungen sinnvoll und nötig sind, aber aus vielfältigen technischen, wirtschaftlichen und ökologischen Gründen als Universalbrennstoffe keinerlei Sinn machen.23 Die Zeit, dass es 1000 Grad heißes Feuer bräuchte, um Wohnungen auf 20 Grad zu erwärmen, ist definitiv vorbei.

Wieder stehen den milliardenschweren Konzernen, die manipulative Falschdarstellungen verbreiten, engagierte Wissenschaftler*innen gegenüber, die sogar ihre Freizeit in Aufklärungsarbeit investieren. Inhaltlich stehen sich Profitmaximierungsinteressen auf der einen Seite dem Interesse am Erhalt der Lebensgrundlagen auf der anderen Seite gegenüber.
Die politischen Antworten sollten sonnenklar sein. Aber wieder missachten die allermeisten Politiker*innen die Warnungen. Und wieder missachten sie auch die vorgeschlagenen zukunftsfähigen Handlungsalternativen.

Die Verfassung garantiert den Menschen eine andere, eine bessere Politik. Das hat das Bundesverfassungsgericht mit dem Klimabeschluss von 2021 klargestellt.
Was braucht es noch mehr als einen Beschluss des höchsten Gerichtes im Staatsgebilde, gestützt auf eindeutige Wissenschaft, dass die Verantwortlichen in Legislative und Exekutive, hier alle Ebenen bis zu den Gemeindeverwaltungen eingeschlossen, ihre Missachtung – auch dem Gericht gegenüber – aufgeben und endlich ihren Fokus von verzerrten Wirtschaftsbilanzen weg und hin zu den Menschen und ihren Grundrechten verschieben?

© Andreas Sanders

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1  https://www.science.org/doi/10.1126/science.abk0063 und https://taz.de/Erderhitzung-durch-Treibhausgase/!5908674/ und https://taz.de/Klimaforscher-ueber-Lobbymacht/!5916444/
und der Exxon-Bericht im Original: https://archive.org/details/ExxonClimateDocs/03_1982%20Exxon%20Primer%20on%20CO2%20Greenhouse%20Effect/

2  https://archive.org/details/25.01.21-shell-evidence/mode/2up?q=Shell+%22The+Greenhouse+Effect%22 und https://decorrespondent.nl/6261/shell-erkent-al-dertig-jaar-het-gevaar-van-klimaatverandering-en-deze-film-bewijst-dat/690018549-55d9be34 oder https://www.youtube.com/watch?v=0VOWi8oVXmo

3  http://hdl.handle.net/2128/18000 bzw. https://juser.fz-juelich.de/record/844967/files/J%C3%BCl_1877_Volz.pdf

4  https://juser.fz-juelich.de/record/844967/files/J%C3%BCl_1877_Volz.pdf  – Teil I der Studie, Abschnitt „D.5 Zusammenfassung“, Seite 48

5  https://juser.fz-juelich.de/record/844967/files/J%C3%BCl_1877_Volz.pdf  – Teil I der Studie, Abschnitt „Kurzfassung der Ergebnisse“, Seite 5 unten

6  mit Eingabe des genauen Studientitels im Katalog der Bibliothek des Deutschen Bundestages zu finden https://opac.bundestag.de/aDISWeb/app?service=direct/0/Home/$DirectLink&sp=SOPAC (vollständigen Titel der Studie im Suchfeld eingeben)

7  https://juser.fz-juelich.de/record/844967/files/J%C3%BCl_1877_Volz.pdf – Teil I der Studie, Abschnitt „C.2 Entwicklung des Energieverbrauchs“, Seite 33 ff

8  LOVINS, A. B., LOVINS, L. H., KRAUSE, F., BACH, W.: Energy Strategy for Low Climatic Risks, Report for the German Federal Environmental Agency, R & D No. 10402513, June 1981
mit einigen Details beschrieben in https://juser.fz-juelich.de/record/844967/files/J%C3%BCl_1877_Volz.pdf in Teil II der Studie, Abschnitt C.4 (ab S. 92), speziell Abschnitte 4.3.1. und 4.3.2 (Seite 95 ff)

9  https://juser.fz-juelich.de/record/844967/files/J%C3%BCl_1877_Volz.pdf – Teil I der Studie, Abschnitt „C.2 Entwicklung des Energieverbrauchs“, Seite 36 oben

10  https://taz.de/Geschichte-des-deutschen-Klimaschutzes/!5916334/
Artikel „Weltmeister im Aufweichen“ von Nick Reimer in der taz vom 03. März 2023

11  https://juser.fz-juelich.de/record/844967/files/J%C3%BCl_1877_Volz.pdf – Teil I der Studie, Seite 39, letzter Absatz

12  https://juser.fz-juelich.de/record/844967/files/J%C3%BCl_1877_Volz.pdf – Teil I der Studie, Abschnitt „D. Handlungsalternativen und strategische Maßnahmen“, Seite 40, erster Absatz

13  https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/04_Stellungnahmen/2020_2024/2022_06_fragen_und_antworten_zum_co2_budget.pdf?__blob=publicationFile&v=14

14  im Kontext des GG https://www.gesetze-im-internet.de/gg/index.html und als Einzelnorm https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_20a.html

15  https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/bvg21-031.html sowie ausführlich im vollständigen Beschluss: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Downloads/DE/2021/03/rs20210324_1bvr265618.pdf;jsessionid=D7F2F39A1576651C3FEF2D8D0F54BB10.2_cid354?__blob=publicationFile&v=7 bzw. https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2021/03/rs20210324_1bvr265618.html

16  https://taz.de/Geschichte-des-deutschen-Klimaschutzes/!5916334/

17  https://taz.de/Klimaforscher-ueber-Lobbymacht/!5916444/

18  https://archive.org/details/ExxonClimateDocs/03_1982%20Exxon%20Primer%20on%20CO2%20Greenhouse%20Effect/

19  https://www.science.org/doi/10.1126/science.abk0063

20  Von solchem Handeln weichen die wenigen Unternehmensverantwortlichen ab, die bewusst andere Prioritäten setzen, z.B. mit sozial orientierten Gemeinwohlgrundsätzen.

21  https://www.umweltbundesamt.de/dokument/datenbank-kraftwerke-in-deutschland

22  https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/treibhausgas-emissionen
→ Emissionsübersichten in Sektoren: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/361/dokumente/2022_03_15_trendtabellen_thg_nach_sektoren_v1.0.xlsx

23  https://info-de.scientists4future.org/wasserstoff-in-der-energiewende/
sowie weitere Veröffentlichungen auf https://info-de.scientists4future.org/ und https://de.scientists4future.org/ sowie https://at.scientists4future.org/
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Anmerkung zum Artikel:

Thema und Artikel hatte ich ein paar Redaktionen angeboten. Mal hat ein Redaktionsleiter den Anspruch erhoben, das nur unter seinem eigenen Namen zu bringen. Eine Redaktion bemängelte, ich würde mit zu vielen Verknüpfungen zu benachbarten Themen arbeiten. (Ja, ich weiß, ich durchbreche die bevorzugte Isolierung von Themen. Menschen haben die Welt in immer kleinere Stückchen zerlegt. Das Zerstückeln ist halt hilfreich wenn man bestimmte Teile (profitabel) nutzen will. Damit wird man ihr jedoch nicht gerecht. Und das verursacht neue Probleme. Gerade das Thema Klimaerhitzung zeigt aber, wenn man es konsequent betrachtet, dass wir in einer vernetzten Welt leben, in der absolut nichts für sich steht.) Wieder eine andere Redaktion war der Meinung, meine im Artikel steckende Arbeit sei mit einem Bruchteil des Mindestlohns gut bezahlt.

Deshalb steht der Artikel jetzt auf meiner eigenen Webseite.

Ich weiß auch, dass ich in manchen Teilen Information und Kommentar nebeneinander stelle. Die Regeln des Journalismus sehen das so nicht vor. Aber wenn mein Gegenüber Staatsmacht und Wirtschafts- d.h. Geldmacht missbraucht, um in der Verfassung zugesicherte Lebensgrundlagen noch weiter zu schädigen, dann halte ich eine Kommentierung sogar für erforderlich, gerade in Verbindung mit Sachinformationen, die bloßstellen, wie verwerflich dieses Handeln ist.

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