Sie bewegt sich sogar noch mehr
Veränderungen in der Erdrotation.
In der 1920er Jahren hatte Milutin Milanković über Variationen im System Erde-Sonne geforscht und Zyklen für die Neigung der Erdachse zur Ebene der Umlaufbahn um die Sonne, für die Exzentrizität der Umlaufbahn der Erde um die Sonne und für die Orientierung der Erdachse im Raum berechnet. Alle drei haben eine gewisse Variabilität. Diese Zyklen haben Einfluß auf den Strahlungs- und damit Energiehaushalt der Erde. Erst 1976 wurde schließlich bei der Untersuchung von Tiefseesedimentkernen eine Korrelation zwischen den Milanković-Zyklen und der Klimaentwicklung belegt. Während Milankovićs Forschung sich auf die Lage und Bewegung der Erde und ihrer Achse im Raum bezog, haben nun Wissenschaftler von NASA’s Jet Propulsion Laboratory in einer aktuellen Studie gezeigt, daß, wie und vor allem warum sich auch die Ausrichtung von Rotationsachse und Erdkörper relativ zueinander verändert. Es geschieht in Abhängigkeit von der Masseverteilung im und auf dem Erdkörper.
Von gewissem Einfluß sind die sich verändernden Eismassen in den Polarregionen. Berechnungen haben aber gezeigt, daß das Ausmaß an Eisverlust in Grönland und Veränderungen in der Eisverteilung im Bereich der Antarktis (deutliche Abnahme in der Westantarktis, leichte Zunahme in der Ostantarktis) allein nicht ausreichen, die z.B. in den letzten fünfzehn Jahren gemessenen Veränderungen in Bezug auf die Rotationsachse zu erklären. Zeitweise waren das immerhin bis zu 17 Zentimeter Verlagerung pro Jahr! Für die Berechnungen wurden Meßdaten des NASA/DLR/GFZ Projektes „Gravity Recovery and Climate Experiment (GRACE)“ verwendet, in dem monatlich die Veränderungen in der Masseverteilung auf der Erde ermittelt werden. Ein zweiter und entscheidender Einfluß ging aus den Satellitendaten hervor. Das ist die Verteilung von flüssigem Wasser in Bereich der Landmassen. Bei Trockenheit im indisch-asiatischen Raum ist der nördliche Durchstoßpunkt der Erdrotationsachse weiter Richtung Europa bzw. Großbritannien gelegen. Ist es im indisch-asiatischen Raum jedoch feuchter liegt der Durchstoßpunkt der Erdachse westlicher Richtung Grönland oder gar Kanada gelagert.
The relationship between continental water mass and the east-west wobble in Earth’s spin axis. Losses of water from Eurasia correspond to eastward swings in the general direction of the spin axis (top), and Eurasian gains push the spin axis westward (bottom). Credits: NASA/JPL-Caltech
Beobachtungen bzw. Messungen zur Rotationsachse gibt es seit 1899. Der seither größte Betrag der Abweichung von den mittleren Lagen der Polpositionen betrug 12 Meter. Das mag nach wenig klingen, aber spätestens wenn es um die Genauigkeit von GPS-Messungen und Satelliteneinsatz zur Erdbeobachtung geht, ist das eine unbedingt zu beachtende Größe.
Mit der neuen Studie wird auch eine weitere Dimension klar. Die Eis- und Wasserverteilung auf der Erde spiegelt die klimatischen Verhältnisse wider. Wenn man davon ausgeht, daß die Aktivitäten der Menschen zumindest deutlich zur globalen Klimaveränderung beitragen, dann bedeutet das auch, daß die Menschen sogar Einfluß auf den Gesamtkörper Erde ausüben, bis hin zur Lageveränderung ihrer Rotationsachse. Die Forschung soll übrigens in diese Richtung weitergehen, unter anderem mit der Fragestellung ob dieser Einfluß vielleicht sogar quantifizierbar ist.
Quelle: http://grace.jpl.nasa.gov/news/82/
Auch hier weiterlesen: http://www.scientificamerican.com/article/earth-is-tipping-because-of-climate-change1/