Wie aus der nötigen Transformation der Energiewirtschaft ein Raubzug gemacht wird. Und wie es besser geht.
Konservative, vermeintlich christliche sowie schrankenlos liberale Kräfte erschaffen immer wieder neue Instrumente, den gewinnmaximierenden Kapitalismus fortzuschreiben und zu steigern. Das ist bekannt. Ebenso ist bekannt: Dem Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell innewohnend, geht das kaum einmal mit gerechter Verteilung von Erträgen einher.
Das ist die eine Seite der üblichen Lagerdiskussion, der auf der anderen Seite vermeintlich grüne und soziale Kräfte gegenüberstehen.
Aber manchmal ist außer der Farbe gar nichts anders – oder sogar noch schlimmer.
Als 2019 über die Maßnahmen des Klimapakets in der Politik noch debattiert wurde, müssen die Stromanbieter und Netzbetreiber schon gerechnet haben. Kaum war bekannt, dass die durch eine CO2-Abgabe auf Treibstoffpreise steigende Belastung für Verbraucher durch eine Senkung der EEG-Umlage ausgeglichen werden soll, hatten die Stromanbieter binnen Monatsfrist die Strompreise erhöht. Der zukünftigen Absenkung der EEG-Umlage vorauseilend wurde ungefähr dieser Preisanteil von den Unternehmen kurzerhand sofort zu einer Gewinnmitnahme umgemünzt. Dann kam es so, dass von der einstmals für 2021 in Aussicht gestellten Senkung der Umlage um gut 2 Cent pro Kilowattstunde nur ein Minibruchteil im Zehntel-Cent-Bereich tatsächlich gekommen ist. Die ganzen Jahre 2020 und 2021 wurden erhöhte Strompreise abkassiert. Für die Verbraucher eine Doppelbelastung, denn die in Aussicht gestellte Entlastung bei der EEG-Umlage gab es nicht. Die ist erst jetzt Anfang 2022 gekommen.
Blind für dieses Abkassieren, hatte der (jetzt Ex-)Wirtschaftsminister Altmaier im Oktober 2021 gesagt, die Senkung der EEG-Umlage sei eine „gute und wichtige Nachricht für Verbraucherinnen und Verbraucher“ und er erwarte, dass die Energieversorger diese Senkung an ihre Stromkunden weitergeben. Leider sind seine Regelungen diesbezüglich nicht so gut wie seine Erwartungen.
Da die Gier bei den Unternehmen gerade in diesem Sektor bekanntermaßen alle Grenzen ignoriert, sowohl sachliche wie auch moralische, ist zum Jahreswechsel 2021/22 bereits die nächste Strompreiserhöhung in die Haushalte gerollt, als wäre in den Strom liefernden Unternehmen schon vergessen, dass man sich gerade erst zwei Jahre lang selbst satt bedient hatte. Deren Darstellungen klingen nun so: Würde die EEG-Umlage nicht so deutlich (2,777 Cent) sinken, hätte die aktuelle Preiserhöhung viel höher ausfallen müssen.
Die einst glänzend präsentierte Verbraucherentlastung stellt also bestenfalls noch eine Abmilderung des aktuellen Strompreisanstiegs dar. Wenn überhaupt.
Besonders abscheulich fallen dabei fast ausnahmslos alle Lieferanten von Ökostrom auf, also Strom aus erneuerbaren Energien. Sie haben alle Preissprünge genauso mitgemacht, wie die Lebensgrundlagen vernichtenden Kohle-, Öl- und Gaskonzerne.
Die von den Ökostromanbietern gern verbreitete Information, dass erneuerbare Energien in der Herstellung bereits günstiger sind als die aus fossilen Quellen gewonnene Energie, findet man im Preisgefüge am Strommarkt nicht wieder. Unter anderem angesichts der eigenen Darstellungen günstigerer Produktion und zusätzlich auf Grund nicht anfallender Brennstoffkosten sowie der entsprechend nicht anfallenden CO2-Abgabe müsste ja konsequent ein Feld von Anbietern von Strom aus erneuerbaren Quellen zur Zeit die günstigsten Tarife anbieten können. Ein solches Anbieterfeld sucht man jedoch vergeblich. Beim Vergleich von 100 Stromtarifen gibt es über die gesamte Preisspanne von den günstigsten bis zu den irrsinnig überteuerten Anbietern keine signifikanten Unterschiede zwischen Strom aus erneuerbaren Quellen und solchem aus fossilen Energieträgern.
Die Möglichkeiten des entfesselten Kapitalismus sind im Zentrum der Ökostrombranche angekommen. Die Haushaltskassen der inzwischen glücklicherweise wachsenden Zahl von Menschen mit wachsendem Klimabewusstsein werden von den Ökostromanbietern vollkommen schamlos geplündert. Und hier ist sogar der undifferenzierte Plural „die Ökostromanbieter“ gerechtfertigt.
Die ganz Unverfrorenen rechtfertigen sich mit Darstellungen in der Art, man tue ja schließlich etwas Gutes, und wenn jetzt die Möglichkeit bestehe, dann sei es auch an der Zeit damit jetzt auch mal etwas mehr zu verdienen, wie die fossile Wirtschaft. Und überhaupt, Kapital fließe dahin wo es die höchsten Profite gibt. Wer so redet, entlarvt sein Reden über eine sozial ausgewogene Transformation als strategisches Marketinggequatsche.
Einen Eindruck, welche Dimension dieses „Mehr“ in Köpfen der Erneuerbaren-Branche haben darf, konnte man sich im Vorfeld der Bundestagswahl verschaffen.
Die Mitglieder des „Runden Tisch Erneuerbare Energien“ fordern eine Verzinsung von mindestens 7 Prozent für Investitionen in Erneuerbare Energien über einen Zeitraum von zwanzig Jahren.*1 Manche nennen gar 10 Prozent als angemessen.
Diese Verzinsungsforderung bedeutet im Klartext mindestens die Vervierfachung(!) der Investition. Das ist Turbokapitalismus, mit allen gesellschaftsschädlichen Folgen inklusive und potenziert.
Begründet wird die Forderung, genauso wie bei den Konservativen und Co. oder auch ganz genauso in der Fossilen Energiewirtschaft, mit Arbeitsplatz- und Wachstumsargumenten.*1
Bei Berücksichtigung und Einpreisung der langen Liste von weiteren Förderungsverlangen*2 seitens der am „Runden Tisch Erneuerbare Energien“ beteiligten NGOs und Vereine*3 sowie den mit ihnen eng verbundenen Anlagenbetreibern dürfte Energie aus Anlagen zur Produktion erneuerbarer Energie für Verbraucher zum maßlos überteuerten Produkt werden, und für Menschen mit schlechteren Lebenschancen kaum noch bezahlbar sein. Dabei bleibt es unerheblich ob die Förderung direkt über den Energiepreis realisiert wird oder in der bekannt ungerechten indirekten Weise über steuerfinanzierte Subventionen erfolgt. Ungerecht ist die steuerfinanzierte Variante weil sie auf den Zwang zur Steuerzahlung setzt und weil sie individuelle Wahlmöglichkeiten ausschließt und damit wettbewerbs- und marktverzerrend wirkt. Offenbar favorisieren die nach Förderung verlangenden Organisationen am „Runden Tisch“ aber diesen Weg. Das bedeutet, sie setzen darauf, dass der Energiemarkt weiterhin intransparent bleibt.
Der Blick, der diesen Forderungen zu Grunde liegt, fokussiert nur auf Erneuerbare Energien selbst, zieht als Vergleichshorizont aber die gegenwärtige Situation der fossilen Energien heran, die von extrem hohen Subventionen geprägt ist. Das Förderungs- und damit zumindest in Teilen auch das Preisniveau der Erneuerbaren wird in Bezug gestellt zum schädlichen Istzustand der Fossilen und soll im Vergleich finanziell noch besser gestellt werden. Dem naheliegenden Argument, dass die Bezugsgrößen falsch gewählt sind und die geforderte Gewinngrößenordnung überzogen ist, kommen Beteiligte des Runden Tisches mit vernebelnden Äußerungen bereits zuvor. So zum Beispiel, dass doch nichts daran schlimm ist, wenn man Gutes für das Klima tut und damit auch Gewinne erzielt.*4
Aber der Blick auf die Details zeigt eben, dass es nicht so simpel ist, wie die Äußerung suggerieren soll.
Forderungen, wie sie der „Runde Tisch Erneuerbare Energien“ aufstellt, hinken weit hinter den vordergründigen Argumenten her, eine Welt mit ‚gerettetem‘ Klima, ‚geretteter‘ Artenvielfalt, ‚geretteten‘ Wasserressourcen sowie das Ganze sozial gerecht erschaffen zu wollen. So eine Verzinsungsforderung steckt in einem uralten Denkmuster fest, das zu den lebensgefährdenden Problemen und Missständen der heutigen Zeit geführt hat. Dass dieser „Runde Tisch“ derart schädlich an gesamtgesellschaftlichen Interessenlagen aneckt, wundert mich nach einem näheren Blick nicht. Nach aus Politik und Wirtschaft bekanntem Muster geklüngelter Filz sitzt mit am „Runden Tisch“. Der beteiligte Solarenergieförderverein entsendet ein Mitglied, das über eine Aufsichtsratsfunktion mit einem großen Erneuerbare Energieproduzenten verbunden ist.*5 Es sieht danach aus, dass inzwischen ganz schlicht profitorientierte Wirtschaftsinteressen unter dem grünen Mantel der NGO stecken. Vermutlich werden aber wieder nur diejenigen unter Schelmenverdacht stehen, die da einen Interessenkonflikt bzw. intransparente Verstrickungen sehen.
Ein sinnvoller Weg zum Ausbau Erneuerbarer wäre hingegen, für die Zeit des Systemumbaus die Subventionen für Fossile sehr schnell auf Null herunterzufahren. Für eine sowohl für Verbraucher als auch Produzenten faire Gestaltung des Energiemarktes müssen außerdem die durch fossile Energie verursachten Schäden in tatsächlicher Höhe (Ausgleich für Natur- und Umweltschäden etc.) internalisiert werden. Dann verschiebt sich die Wettbewerbssituation eh so gravierend, dass Förderungen für Erneuerbare über eine sehr kurze Übergangs- bzw. Anschubphase hinaus nicht notwendig sein werden und der Ausbau der Erneuerbaren dennoch attraktiver ist. Zumal deren Preisniveau gegenwärtig bereits überzogen ist, insbesondere da hier keine Brennstoffkosten existieren und damit auch keine CO2-Abgabe. Bei ausreichendem Ausbauniveau der Erneuerbaren muss dann konsequent das Verbot für Fossile Energien kommen (mit Ausnahme des Einsatzes von fossilen Energieträgern – jedoch ohne Verbrennung – in Bereichen wo Kohlenwasserstoffe oder Kohle technisch unverzichtbar und alternativlos sind). Außerdem ist allerspätestens dann das Preisniveau der Erneuerbaren mit den tatsächlichen Herstellungskosten zu harmonisieren, also der gewinnmaximierende Kapitalismus aus dem Markt der Erneuerbaren Energie zu verbannen. Denn bei den genutzten Energien – Sonne, Wind, Wasser … – handelt es sich immer um Gemeingüter. Das heißt, sie „gehören“ niemandem und dürfen daher nicht kapitalisiert werden, auch nicht indirekt. Die Branche der Erneuerbaren Energien würde sonst zwar zu einem gewünschten Klimaeffekt beitragen, aber ansonsten das von der Nutzung fossiler Energieträger bekannte Mittel der unrechtmäßigen Aneignung von Gemeingütern fortschreiben und Treiber kapitalistischer Schieflagen sein. Und das heißt, zwar von sozial gerechtem Klimaschutz zu reden, ihn in der Praxis aber zu verhindern.
Der Ruf nach Förderungen ist bei vielen Menschen so in Fleisch und Blut übergegangen, dass die Konsequenzen oft nicht mehr bis zu Ende gedacht werden. Denn Förderungen für Erneuerbare bedeuten am Ende auch wieder, dass die Allgemeinheit Anlagenbetreiber mitfinanziert – also wie jetzt (mit den schädlichen Förderungen) auch ein Geldfluss von Wenigerverdienenden dahin wo Kapital vorhanden ist. Das kann auf Dauer nicht gut gehen. Der Bedarf an Ausgleich für Menschen mit weniger Lebenschancen wächst dann auch wieder. Am Ende eine Preisschraube, die vor allem bei Wenigen konzentrierte Profite garantiert. Sinnvoller finde ich da – wenn die Einsicht zur Mitverantwortung für eine Gesellschaft, in der es für alle eine auskömmliche Teilhabe gibt, fehlt – tiefere Eingriffe in die Wirtschaftsweise vorzunehmen, um den Wildwuchs an Profiteinsammeln zu begrenzen. Solches Vorgehen wird üblicherweise kritisiert als Verbotspolitik. Das ist aber eine Vernebelung der Tatsachen, denn aktuell sind die Märkte hochgradig manipuliert, um unfaire Vorteile für bestehende Kapitalansammlungen zu schützen bzw. weiter zu verstärken.
Dazu zählt auch, dass Banken und Fondgesellschaften im Strommarkt sowohl im direkten Handel (OTC) als auch an der Strombörse (z.B. EEX in Leipzig) mitmischen, obwohl sie weder Strom produzieren noch Verbraucher mit Strom beliefern. Das Reglement der Strombörse wurde über die Jahre so verändert, dass der Markt zu einem Platz für Zocker geworden ist. Das Risiko ist hoch, aber ausgelagert. Wenn etwas schief läuft, dann sind es am Ende immer die vielen Stromverbraucher, die gezwungenermaßen zahlen. Profite greifen dagegen die zockenden Finanzhäuser ab. Banken und Fonds agieren im Strommarkt in großem Stil als Zwischenhändler. Hinter jedem Handel steht die Absicht, zu höheren Preisen zu verkaufen als eingekauft wurde. Das wirkt bei der Versorgung von Grundbedarf, also auch Energie betreffend, nur preistreibend. Dass Banken und andere Finanzunternehmen als Stromhändler auftreten, stellt eine Art Marktmanipulation zu Lasten der Allgemeinheit dar. (Ein Metier, von dem man weiß, dass Banken sich da gerne betätigen.) Manipulation ist möglich, weil die Legislative sich nicht um eine kundenorientierte Marktregulierung kümmert, sondern Spekulanten begünstigt.
Wer in dem Zusammenhang von Freiheit spricht, verschweigt, dass die Vielzahl der Verbraucher als Geiseln genommen werden, um die ‚Freiheit der Profitgier‘ sehr weniger Akteure erzwungenermaßen zu bedienen. Wenn Unternehmen und politische Kräfte derart agieren, haben sie Freiheiten nicht länger verdient. Eingriffe in diese Ordnung, die Ausgleich in die extremen Schieflagen bringen, sind gesamtgesellschaftlich dringend erforderlich. Und wenn die Einsicht für faire gesellschaftliche Entwicklung auf Seiten der großen Kapitalsammler nicht besteht, dann braucht es steuernden Eingriff. Dazu müssten aber Legislative und Exekutive zuerst selbst ihre Dienerschaft des Kapitals beenden, zugunsten einer fairen Gesellschaft, in der Lebenschancen gleich verteilt sind.
Mit Blick auf die Energiepreise – analog gilt das auch für Trinkwasser – kann eine Regelung z.B. über eine festgeschriebene Aufteilung von Einnahmen aus jeglicher Nutzung von Gemeingütern erfolgen, zugunsten einer Verteilung auf die Allgemeinheit, vom Neugeborenen bis zum Greis. Dafür gibt es verschiedene Wege. Aber dieser Ausgleich ist dann nicht mehr durch in die Höhe getriebene ‚Kosten‘ bedingt und gesteuert, sondern an ein konkretes Gut geknüpft – die Gemeingüter. Ein möglicher, kapitalistische Profitgier begrenzender Weg für den Ausgleich der Nutzung der Gemeingüter Sonnenlicht, Wind und Wasser zur Energiegewinnung ist ein mit steigendem Energiepreis progressiv steigender Anteil der Einnahmen, der der Allgemeinheit zugute kommt. Ähnlich wie die Bemessung der Einkommensteuer, aber ohne Deckel so austariert, dass eine Preissteigerung über eine festzulegende Schwelle hinaus kontraproduktiv auf kapitalistische Interessenverfolgung wirkt. Die Schwelle könnte von einem dynamisch zusammengesetzten Bürger-und-Wirtschaftsrat turnusmäßig definiert werden. Bei derartiger Gestaltung im Sinne der Allgemeinheit bleibt der Marktmechanismus bestehen, über Service- und Preisgestaltung Kunden zu gewinnen. Dieser Wettbewerb findet bei richtiger Justierung der Schwelle dann jedoch innerhalb der physikalischen planetaren Grenzen sowie Nachhaltigkeitsgrenzen statt. Der Effekt wäre umso stärker, wenn das gegenwärtige Preisgefüge auf den Kopf gestellt wird. Niedrige Preise gibt es für niedrigen Verbrauch, Großverbraucher und Energieverschwender zahlen die höchsten Preise pro Einheit (KWh). Anstatt wie bisher den Verbrauch vielleicht noch ein bisschen hochzuschrauben, um in die nächstniedrigere Preisstufe für den Gesamtverbrauch zu kommen, wird Energiesparen dann endlich attraktiv. Weil natur-, umwelt- und gesellschaftsfreundliches Verhalten dann spürbar auch individuell belohnt wird.
*1 https://sfv.de/k21/arbeit
*2 Runder Tisch Erneuerbare Energien RTEE, https://www.sfv.de/sfv-arbeitspapier-zu-einer-neuen-energiegesetzgebung
sowie https://energiewende-2030.de/wp-content/uploads/2021/07/Arbeitspapier_neue-Energiegesetzgebung-Teil-1_2021-02-19.pdf
*3 https://energiewende-2030.de/#organisationen
*4 https://www.sfv.de/artikel/kapital_fliesst_dort_hin_wo_die_groessten_gewinne_erwartet_werden
*5 Vergleiche Übereinstimmung zwischen https://www.prokon.net/ueber-uns/das-ist-prokon/vorstand-und-aufsichtsrat und https://sfv.de/verein/vorstand-und-team
Alle Webseiten mit Stand vom 17.01.2022
Schlagworte: Energie, Gemeingüter, Klimakrise, Lebenschancen, Transformation, Wirtschaft